Remote-Dolmetschen

Das A und O des Remote-Dolmetschens

23.02.2022

Remote-Dolmetschen (RD), auch Remote Interpreting, Distance Interpreting oder Ferndolmetschen genannt, ist aus der Sprachbranche nicht mehr wegzudenken.

Die Technik entwickelt sich ständig weiter und das macht sich auch im Bereich des Dolmetschens bemerkbar. Seit der Pandemie hat die Arbeit im Home-Office stark zugenommen, und immer mehr Auftraggeber* beschliessen, ihre Sitzungen und Konferenzen virtuell durchzuführen. Somit ist auch die Nachfrage nach Remote-Dolmetschen gestiegen. In unserer nach wie vor durch Social Distancing charakterisierten Zeit trägt RD auch dazu bei, dass Dolmetscher ihre Dienste weiterhin erbringen können.

*Aus Gründen der Lesbarkeit wird in diesem Beitrag auf das geschlechtergerechte Formulieren verzichtet, es sind jedoch alle Geschlechter angesprochen.

 

Was ist Remote-Dolmetschen (RD) und wann wird es eingesetzt?

Beim RD befinden sich Teilnehmer und Dolmetscher an unterschiedlichen Orten und sind über eine Videokonferenz-Software miteinander verbunden. Im Rahmen solcher Veranstaltungen kommen neben gängigen Online-Konferenztools und Kollaborationssoftwares auch komplett ausgestattete Dolmetscherstudios («Remote-Dolmetsch-Hubs») zum Einsatz.

RD wird häufig bei Telefon- und Videokonferenzen eingesetzt, ist aber auch für mehrsprachige Konferenzen eine Lösung. Die Settings sehen in der Regel wie folgt aus:

  • Veranstaltung + Dolmetschkabinen an einem anderen Ort
  • Online-Veranstaltung + Dolmetschkabinen in einem Hub
  • Online-Veranstaltung über eine Veranstaltungsplattform mit Funktionalitäten für Simultandolmetschen
  • Videokonferenz über verschiedene Plattformen (z. B. Zoom, Microsoft Teams, Cisco Webex, GoToMeeting, Jitsi usw.) mit Dolmetschfunktion

Solche Settings kommen auch bei Hybridveranstaltungen vor. Dabei kann ein Teil der Teilnehmer vor Ort sein und der andere Teil die Veranstaltung online am Computer verfolgen. Die Referenten können auch teilweise vor Ort und teilweise per Video zugeschaltet werden.

Je nach Anforderung und Setting erfolgt die Verdolmetschung konsekutiv oder simultan.

Für welche Dolmetscharten kommt RD in Frage?

Beim Simultandolmetschen werden Reden und Vorträge nahezu zeitgleich mit dem Sprecher verdolmetscht. Da diese Dolmetschtechnik mit einer sehr hohen kognitiven Belastung einhergeht, werden grundsätzlich zwei oder mehr Dolmetscher eingesetzt, die sich alle 30 Minuten abwechseln. Findet die Simultanverdolmetschung per Videokonferenz statt, spricht man von Remote Simultaneous Interpreting (RSI). Diese Technik kommt hauptsächlich bei mehrsprachigen Veranstaltungen zur Anwendung.

Bei Sitzungen oder technischen Gesprächen von kurzer Dauer und mit einer eher geringen Teilnehmerzahl, bei denen in der Regel nur eine Verdolmetschung in zwei Sprachen benötigt wird, kommt die Technik des Verhandlungsdolmetschens zum Einsatz. Kurze Redeabschnitte werden dabei zeitversetzt in die jeweiligen Sprachen verdolmetscht und in der Regel sind keine besonderen technischen Ausrüstungen erforderlich.

Welche Vorteile und Nachteile bringt das Remote-Dolmetschen mit sich?

Vorteile

RD reduziert Kosten, spart Zeit, ist nachhaltig, vereinfacht die Organisation von Meetings und Konferenzen und ermöglicht eine «kontaktlose» Kommunikation mit fremdsprachigen Kunden, Geschäftspartnern und Mitarbeitern.

Teilnehmer und Dolmetscher sind von ihrem geografischen Aufenthaltsort unabhängig. Das bedeutet eine Zeitersparnis, denn Arbeitsweg und Reisezeit fallen weg. Dolmetscher können somit (theoretisch) mehrere Einsätze an einem Tag übernehmen, während Auftraggeber die gewonnene Zeit in andere Aufgaben investieren können.

Kosten wie beispielsweise für die Hin- und Rückreise, Hotelübernachtungen, Gebühren vor Ort, Investitionen in Ausrüstungen (die eventuell bei Vor-Ort-Veranstaltungen benötigt werden) sowie mit bestimmten Veranstaltungen verbundene, spezifische Aufwendungen (Personal, Eventorganisation) oder sonstige Infrastrukturkosten (z. B. die Miete eines Saales, von Dolmetscherkabinen oder von Personenführungsanlagen mit Kopfhörern und Mikrofonen) fallen nicht an. So wird das für Veranstaltungen notwendige Budget geschont.

Da keine Reisen erforderlich sind, wird zusätzlich auch ein Beitrag zur Reduktion des CO2-Ausstosses und somit auch zum Umweltschutz geleistet.

Zudem kann die Organisation einer Veranstaltung kurzfristig und flexibel erfolgen, da keine Räumlichkeiten reserviert werden müssen. Bei Zeitmangel und in Notfallsituationen (z. B. bei einem Unfall) ermöglicht RD, schnell zu handeln und Alternativlösungen rasch umzusetzen. RD kann auch dann eingesetzt werden, wenn nicht genügend Platz für die Einrichtung einer professionellen Dolmetscherkabine mit der für das Simultandolmetschen erforderlichen Technik vorhanden ist.

Die Standortunabhängigkeit vereinfacht die Suche und Beauftragung von Dolmetschern für mehrere Sprachen. Es können sogar Dolmetscher für weitere Sprachen eingesetzt werden, die vor Ort nicht zur Verfügung stehen würden. Für die Dolmetscher bedeutet das eine Steigerung ihres Marktwertes. Darüber hinaus haben sie so auch Zugang zu zusätzlichen Aufträgen.

Nachteile

Technische Probleme mit dem Internet, den Plattformen, der Hardware, dem Server, den technischen Geräten können einer einwandfreien Verdolmetschung im Wege stehen. Dolmetscher und Auftraggeber müssen deshalb in qualitativ hochwertige Aurüstungen investieren, um technische Probleme zu vermeiden. Dadurch entstehen weitere Kosten.

Die Audioqualität ist beim Ferndolmetschen in der Regel schlechter als bei Veranstaltungen vor Ort. Die Datensicherheit ist ein weiterer Aspekt, der das RD erheblich erschwert. Durch die Zuschaltung von Video, Telefon oder Audio und die Benutzung von Cloud-basierten Systemen ist es aktuell noch schwierig, einen zu hundert Prozent sicheren Datenschutz für alle Beteiligten sicherzustellen. Darüber hinaus müssen Dolmetscher zusätzlich zu ihrer bereits sehr hohen kognitiven Belastung («cognitive load») im Rahmen ihrer Dienstleistung auch die Hardware und Software verwalten, was für sie einen zusätzlichen Aufwand bedeutet.

Bei welchen spezifischen Settings wird das Vor-Ort-Dolmetschen eingesetzt?

In bestimmten Settings, bei denen Verhandlungsdolmetschen zum Einsatz kommt, wird in der Schweiz – insbesondere aufgrund des Datenschutzes – nach wie vor die Vor-Ort-Verdolmetschung bevorzugt:

Einsätze im medizinischen Bereich

  • Eine Verdolmetschung via Videokonferenz oder Telefon könnte für die betroffenen Personen bzw. die Familienangehörigen unangenehmer sein und/oder von ihnen als unpersönlich empfunden werden.
  • Bei Sprechstunden oder Begutachtungsgesprächen zwischen den zu befragenden Personen (z. B. Patienten, Exploranden) und medizinischen Sachverständigen werden sensitive Daten behandelt. Deshalb ist sicherzustellen, dass Dritte keinen Zugang zu diesen Informationen haben. Die Dolmetscher müssen ihre Dienste somit vor Ort erbringen.

Einsätze im juristischen Bereich

  • Bei Gerichtsverhandlungen oder Einvernahmen durch Justizbehörden (insbesondere im Rahmen von Strafverfahren) sind Dolmetscher von Gesetzes wegen zum Amtsgeheimnis verpflichtet. Ihre Dienste erbringen sie ausnahmslos vor Ort.
  • Nur in bestimmten Zivilverhandlungen kann es zum Einsatz einer hybriden Lösung kommen: zum Beispiel, wenn eine Partei sich nicht im Saal befindet, sondern per Videokonferenz zugeschaltet wird. In diesem Fall trägt diese Partei die Verantwortung dafür, dass ihre Anliegen diskret und vertraulich behandelt werden. Dafür muss sie sich allein in einem Raum ausserhalb des Gerichtssaals aufhalten. Die Dolmetscher befinden sich aber ausnahmslos im Saal und erbringen ihre Dienstleistung vor Ort.

 

Quellen:

Lázaro-Gutiérrez, R. (17.11.2021). Development of technological competences: remote simultaneous interpreting explored. In: ALSING Conference: TC43 [zit. 05.01.2022].

Leschen, S. (18.11.2021). Getting to grips with Pandemic-precipitated Remote Interpreting: Workshop 2, In: ASLING Conference: TC43 [zit. 05.01.2022].

BDÜ. Konsekutiv- oder Simultandolmetschen? Informationen über die Arten des Dolmetschens. In: Bundesverband der Dolmetscher und Übersetzer [zit. 05.01.2022].

Kagon Kommunikation. Remote Interpreting. In: Kagon Kommunikation [zit. 10.01.2022].

Gillies, A. (24.02.2021) Advanced Preparation Interpreting. In: Innovation In Interpreting Summit 2021 [zit. 05.01.2022].

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