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Gerichtsdolmetschen. Die Besonderheiten. Die Herausforderungen.

19.07.2022

Wenn man den Begriff «Gerichtsdolmetschen» hört, denkt man möglicherweise zuerst an die Nürnberger Prozesse – dem Kriegsverbrecherprozess nach dem Zweiten Weltkrieg von 1945 bis 1946. Dieser Prozess gilt als Geburtsstunde des Simultandolmetschens und bis heute werden die einen oder anderen Verhandlungen simultan von mehreren Dolmetschern1 verdolmetscht.

1In diesem Artikel wird aus Gründen der besseren Lesbarkeit ausschliesslich die männliche Form verwendet. Sie bezieht sich aber auf Personen jeden Geschlechts.

Im Strafprozess oder an Verwaltungs-, Arbeits-, oder Mietgerichten nimmt das Gerichtsdolmetschen aber eine andere, hybride Form an.

Dolmetschen für Beklagte

Für gewöhnlich wissen die beklagten Parteien, was ihnen zur Last gelegt wird und was am Verhandlungstag mehr oder weniger auf sie zukommt. Da die Verhandlung aber in einer ihnen unbekannten Sprache abgehalten wird, sie dieser aber folgen müssen, flüstert ihnen der Dolmetscher das gesprochene Wort simultan ins Ohr, damit sich die Dauer des Prozesses nicht verlängert.

Dolmetschen für das Gericht

Die Aussagen der Beklagten oder von Zeugen und Auskunftspersonen werden hingegen konsekutiv verdolmetscht. Das heisst, dass das Gesagte zeitversetzt in die andere Sprache übertragen wird – und zwar in kürzeren Abschnitten, damit auch inhaltlich nichts verloren geht.

Doch nicht nur die hybride Dolmetschart macht das Gerichtsdolmetschen zu etwas Besonderem.

Was macht Gerichtsdolmetschen so besonders?

Wie Sie sich sicher vorstellen können, hat vor Gericht jedes Wort Gewicht. Schliesslich geht es darum, ob eine Person für eine Straftat bestraft oder freigesprochen wird. Eine falsche Verdolmetschung kann weitreichende Folgen nach sich ziehen. Daher ist es essenziell, dass alle Inhalte zu 100 % korrekt wiedergegeben werden und nichts hinzugefügt, interpretiert oder ausgelassen wird. Der Druck, unter dem die Dolmetscher in so einem Szenario stehen, sollte man nicht unterschätzen.

Hinzu kommt die Umgebung. Ein Gerichtssaal mit Anwälten, Richtern und Schöffen kann überwältigend sein – schliesslich sitzt man nicht jeden Tag in einem Gerichtssaal.

Und schliesslich spielt auch die emotionale Komponente eine Rolle. Während bei anderen Dolmetscheinsätzen beispielsweise Schulungen abgehalten, Produkte vorgestellt oder Unternehmenszahlen präsentiert werden, geht es bei einer Gerichtsverhandlung um die Zukunft eines Menschen. Dies kann zusätzlichen, emotionalen Druck auf alle Beteiligten ausüben.

Um all diese Punkte zu meistern, müssen Gerichtsdolmetscher jede Menge Kenntnisse und Fähigkeiten besitzen.

Welche Voraussetzungen müssen Gerichtsdolmetscher mitbringen?

Neben einem absolvierten Dolmetschstudium oder einer absolvierten Dolmetschausbildung müssen Gerichtsdolmetscher weitere, besondere Kenntnisse mitbringen, um derartige Einsätze annehmen zu können und zu dürfen.

  1. Fachgebiet

Gerichtsdolmetscher haben sich auf das juristische Fachgebiet spezialisiert, sind in dieser Fachsprache und auch in der Amtssprache versiert und kennen das Rechtssystem der Länder, dessen Sprachen sie beherrschen. Und da Gerichtsdolmetscher aufgrund des Amtsgeheimnisses in den seltensten Fällen Material zur Vorbereitung erhalten, werden diese fachlichen und sprachlichen Kenntnisse umso wichtiger.

  1. Sprachliche Voraussetzungen

Selbstverständlich sprechen Gerichtsdolmetscher die Sprache des Gerichts sowie die Sprache der Beklagten und kennen ausserdem verschiedene Dialekte. Darüber hinaus müssen sie zwischen sozialen Sprachebenen, den sogenannten Registern, wechseln können.

  1. Dolmetscharten

Neben den oben bereits erwähnten Arten Flüster- und Konsekutivdolmetschen beherrschen Gerichtsdolmetscher die sogenannte Stegreifübersetzung (in der Schweiz meistens Abblatt-Übersetzung genannt), bei der bis dahin unbekannte Beweismittel während der Verhandlung aus dem Stegreif übersetzt werden müssen. Bei polizeilichen Befragungen oder Anhörungen bei Staatsanwaltschaften müssen die Gerichtsdolmetscher, wie gesetzlich vorgeschrieben, das gesamte Einvernahmeprotokoll mündlich mittels Abblatt-Übersetzung rückübersetzen. Eine weitere Fähigkeit, die während des Studiums erlernt und in der Praxis vertieft wird.

  1. Berufsethos und Etikette

Besonders vor Gericht spielt das Berufsethos eine wichtige Rolle. Gerichtsdolmetscher wahren Distanz und Neutralität gegenüber aller Beteiligten, auch wenn Angeklagte in Dolmetschern oft eine Vertrauensperson sehen und Parteilichkeit sowie Unterstützung von ihnen erwarten. Ausserdem geben sie keine Ratschläge oder Kommentare ab, zeigen bestenfalls keine Emotionen und beantworten keine Fragen der Prozessbeteiligten, sondern verdolmetschen sie.

Ein weiterer wichtiger Punkt ist die Etikette, die bei Gericht herrscht: Gerichtsdolmetscher sprechen zum Beispiel nur, wenn sie vom Gericht dazu aufgefordert werden. Sollten Missverständnisse aufgrund der Sprache entstehen, wissen Gerichtsdolmetscher ausserdem, auf richtige Weise darauf aufmerksam zu machen.

  1. Akkreditierung

Schliesslich müssen Dolmetscher von einem Gericht akkreditiert werden, um überhaupt als Gerichtsdolmetscher in Zürich und der Schweiz arbeiten zu können.

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Quelle: Tingey Injury Law Firm – Unsplash

Der Weg zum akkreditierten Dolmetscher in Zürich

Für die Akkreditierung von Dolmetschern in Zürich ist die Zentralstelle Sprachdienstleistungen des Kantons verantwortlich. Ausserdem erlässt sie beispielsweise Reglements und Richtlinien, plant und organisiert Weiterbildungen und überwacht die Einhaltung der Sprachdienstleistungsverordnung.

Um als Gerichtsdolmetscher akkreditiert zu werden, müssen Dolmetscher Folgendes erfüllen:

  • Sie beherrschen die Amtssprache sowie die Arbeitssprache.
  • Sie verfügen über ein gutes Allgemeinwissen und einen fundierten juristischen Grundwortschatz.
  • Sie haben ein professionelles Rollenverständnis.
  • Sie haben einen guten Leumund.

Um all dies feststellen zu können, müssen die Dolmetscher einen Kurs absolvieren und eine Prüfung bestehen.

Expertin für Dolmetschen im juristischen Kontext

Als renommierter Sprachdienstleister in der Schweiz und aufgrund der langjährigen Erfahrung im Übersetzungs- und Dolmetschbereich ist CB Multilingual ein zuverlässiger Partner, wenn es um das Dolmetschen im juristischen Kontext oder Gerichtsdolmetschen geht. Wir arbeiten nicht nur mit akkreditierten und hochqualifizierten Dolmetschern in Zürich und der ganzen Schweiz zusammen, sondern haben selbst eine erfahrene Expertin in unseren Reihen: Unsere Geschäftsführerin, Silvia Cerrella Bauer, ist bereits seit 2013 beim Obergericht des Kantons Zürich akkreditiert und kann auf mehrere Hundert Dolmetscheinsätze bei Behörden wie Polizei, Staatsanwaltschaften, Bezirksgerichte und dem Obergericht des Kantons Zürich zurückblicken. Bis heute begleitet sie als Gerichtsdolmetscherin Verhandlungen, Einvernahmen sowie Befragungen im zivil- und strafrechtlichen Bereich in ihren Arbeitssprachen Englisch, Französisch, Spanisch und Italienisch.

Neben der Verdolmetschung von juristischen Belangen kümmern sich CB Multilingual, ihre erfahrenen juristischen Übersetzer und Silvia Cerrella Bauer selbst um die Übersetzung von Rechtshilfeersuchen, Polizeirapporten, Gerichtsurteilen und vielem mehr.

Sollten Sie daher Hilfe in diesem Bereich benötigen, setzen Sie sich gern mit uns in Kontakt. Wir wissen genau, wie wir Ihnen unter die Arme greifen können.